Die Übertechnisierung von Golfübertragungen

Golf hängt gemeinhin der Makel an, keine attraktive TV-Sportart zu sein. Wegen seiner statischen Natur, den unaufregten Kommentaren und dem Natur-Klangteppich empfehlen selbst Fans Golf-Übertragungen als Einschlafhilfe. Um diesem Effekt entgegenzuwirken, denken sich die übertragenden Sender immer neue technische Gimmicks aus, um die Herausforderungen des Sports visuell sichtbar zu machen – und den Zuschauer durch den damit verbundenen Aha-Effekt an den Fernseher zu binden.

Bei der Übertragung der Open Championship in der vergangenen Woche war die technologisch nicht gerade an vorderster Front operierende BBC (HD? Was’n das?) beispielsweise extrem stolz auf ihre Super-Slow-Motion-Kameras, die sie offensichtlich zum ersten Mal im Einsatz hatte. Zur Feier des Tages ließen sie erst einmal 5 Golfbälle auf den Boden fallen, was sie mit der “neuen” Technik fest hielten. Später nahmen sie mit der Kamera einen kurzen Putt von Lee Westwood auf, der ohne Ehrenrunde oder Hüpfer mittig ins Loch fiel. Was wieder einmal bewies, dass Technik alleine keine gute Übertragung ausmacht – es braucht auch einen Kameramann und Regisseur, der weiß, wie man sie am besten einsetzt.

In den USA macht dies beispielsweise das Team von CBS mit ihren Swingvision-Kameras, die mit 1000 Bildern pro Sekunde jedes Detail des Golfschwungs aufnehmen. Um den Ballkontakt von Schläger und Ball aufnehmen zu können, greifen sie sogar auf eine Spezialkamera zurück, die pro Sekunde 12500 Aufnahmen schießt. Diese Studien nutzen dann Experten – oder Carlo Knauss – dazu, den Schwung zu analysieren und daraus interessante Details für den wissbegierigen Hobbygolfer abzuleiten.


Ein weiteres beliebtes Spielzeug ist der je nach Sender unterschiedlich benannte Trackman/Protracer/Flight Line, der es ermöglicht den Flug des Golfballs vom Start bis zur Landung als eine durchgängige Linie zu zeigen und damit Fades, Draws, Hooks und Slices darzustellen. Ein kostspieliges Unterfangen, weshalb die Sender meist nur ein-zwei Löcher mit der Technik bestücken: meist ein langes Par 3 oder ein Abschlag an einem Dogleg, der von den Spielern ein gewisses Shotshaping verlangt. Allerdings hat die Konzentration auf wenige Löcher einen negativen Nebeneffekt. Spätestens wenn man den dritten Schlag gesehen hat, der sich auf die gleiche Art und Weise verhält, hat der Protracer seinen Reiz verloren und wird zum nervigen Gimmick.

Womit wir beim eigentlichen Anliegen dieses Beitrags sind, der Aim Point-Putting Line (die natürlich wie jedes der hier erwähnten Gimmicks einen eigenen Sponsor hat). Vor etwa zwei Jahren präsentierte der Golf Channel erstmals diese Innovation, die es erlaubt, auf dem Grün die ideale Puttlinie ins Loch anzuzeigen, sowie den Punkt, auf den der Spieler zielen muss. Ein aufwändiges Verfahren, für das die Grüns Wochen vor dem Turnier mit einem 3-D-Scanner eingelesen werden. Anschließend wird unter Berücksichtigung von Grüngeschwindigkeit, Windstärke, Luftfeuchtigkeit und Temperatur die Linie zum Loch errechnet. Nun weiß natürlich jeder Golfer, dass es keine Ideallinie beim putten gibt. Je nach Geschwindigkeit wird der Ball einen weiteren oder engeren Bogen nehmen. Die AimPoint-Technologie berechnet die Linie daher so, als ob der Putt etwa 45 Zentimeter hinter dem Loch zur Ruhe kommen würde.

Die Fachwelt war so begeistert, dass die Erfindung mit dem US-Fernsehpreis Emmy ausgezeichnet wurde. Doch ich kann und will mich in den Jubelreigen nicht einreihen. Prinzipiell ist gegen das AimPoint-Konzept nichts einzuwenden. Da die TV-Kameras immer auf einem Turm stehen, nivelliert die Perspektive die Höhenunterschiede auf dem Grün so, dass sie meist wie eine ebene Fläche aussehen. Mit Hilfe der Ideallinie lassen sich daher die Wellen auf den Grüns optisch sehr gut an den Zuschauer transportieren. Doch ab dem Moment, wo sich der Ball in Bewegung setzt, nimmt die Aimpoint-Technologie jede Spannung aus dem Loch, da man zu jedem Zeitpunkt sehen kann, ob der Putt auf Kurs ist, oder nicht. Eines der spannendsten Elemente einer Golfübertragung ist, den Weg des Golfballs auf dem Grün zu verfolgen. Wenn er einen Meter vor dem Loch eine scharfe Rechtskurve nimmt und doch noch fällt, ist dies nicht nur faszinierend, es zeigt auch das gute Auge der Profis. Findet der gleiche Putt auf einer blauen Linie statt, weiß der Zuschauer schon Sekunden vorher, dass der Ball zurückkommen wird – und die Leistung des Spielers erhält den Anschein von Selbstverständlichkeit. Daher kann man froh sein, dass die Technologie so teuer ist, dass sie bisher nur vom Golf Channel und dort auch nur an zwei Löchern pro Turnier eingesetzt wird.

Dabei gäbe es doch viel günstigere und einfachere Methoden eine Golfübertragung reizvoller zu gestalten. Zwar gibt es das alte Sprichwort “Drive for Show, Putt for Dough”, doch das bedeutet ja nicht, dass sich jede Übertragung fast ausschließlich auf dem Grün abspielen muss. Manchmal kommt es einem als Zuschauer so vor, als würden Golfturniere nur aus den langen Schlägen von Tiger Woods und den Putts der anderen bestehen. Bestes Beispiel war erneut die letzte Open Championship, wo weder Martin Kaymers zweiter Schlag zwei Meter an den Stock eines Par 5s, noch das Hole-in-One von Thomas Levet zu sehen waren. Dafür aber hunderte von Tap-Ins.

Die Übertragungen sind mittlerweile sogar so berechenbar geworden, dass man nach drei oder vier gesehenen Golfturnieren mit einer relativ hohen Trefferquote sagen kann, ob ein Ball ins Loch geht oder nicht. Ausgehend vom Gesamtergebnis des gezeigten Spielers, den Äußerungen der Reporter (just a moment ago=der Ball ist drin) und der Länge des Putts (Meter-Putts werden oft nur gezeigt, wenn sie auslippen) erhält man gute Richtwerte über das Ergebnis. Und das ganz ohne Kristallkugel oder AimPoint-Technologie. Insofern sollten sich die TV-Sender vielleicht lieber einmal ein Beispiel an einem guten Golfer nehmen. Der konzentriert sich erst einmal darauf, die Grundlagen zu erlernen, bevor er sich an irgendwelche Spielereien wagt.

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