Barbara Salesch bringt Padraig Harrington zu Fall

Wie braucht man für eine Fußballübertragung? Bier, Chips und Trikot. Was braucht man für eine Golfübertragung? Ein Smartphone um Regelverstöße zu melden. So macht es zumindest nach drei Wochen Profigolf im Jahr 2011 den Eindruck. Nachdem beim Tournament of Champion Camilo Villegas nachträglich (indirekt) durch einen Fernsehzuschauer disqualifiziert wurde, hat es jetzt bei der Abu Dhabi Championship Padraig Harrington erwischt.

Der Ire hatte auf dem Grün seinen Ball versehentlich mit dem Finger bewegt, nachdem er die Marke bereits weggenommen hatte. Allerdings war sich Harrington sicher nicht die Lage des Balles verändert zu haben und schrieb sich an Loch 7 eine 3 gut. Die TV-Bilder sagten hingegen was anderes:

Ein, nennen wir ihn mal aufmerksamer, TV-Zuschauer bemerkte den Regelverstoß, der mit zwei Strafschlägen zu ahnden gewesen wäre und mailte die European Tour an, wie es Andy McPhee in der Pressekonferenz schilderte. Da die Mail jedoch erst um 18 Uhr eintraf und Harrington längst seine Runde beendet und die Scorekarte abgegeben hatte, konnte man das Ergebnis nicht mehr nachträglich korrigieren. Nach den Regeln des Golfs konnte es nur eine Konsequenz geben: Disqualifikation. Nicht etwa wegen des Bewegen des Balls, sondern weil Harrington für ein zu niedriges Ergebnis unterzeichnet hatte – exakt die gleiche Konsequenz wie vor zwei Wochen bei Camilo Villegas.

Nun kann man sicherlich ausgiebig über den Charakter von Zuschauern diskutieren, die solche Regelverstöße vom Fernsehsessel aus anzeigen. Harrington selber sagte anschließend, dass er sich einen Begriff wie “Petze” für so jemanden verbittet und dass er froh sei, dass der Golfsport solche Menschen hat, während LPGA-Spielerin Becky Brewerton ihn via Twitter als “Idiot” und “trauriges Individuum” bezeichnete. Irgendwo in diesem Spektrum wird sich jeder von uns wiederfinden und eine Diskussion darüber wer Recht hat, würde nie zu einem Ergebnis führen. Zumal in vorderster Front natürlich die Schuld bei den wenig regelfesten Golfern selber zu suchen ist. Was man aber diskutieren kann, ist die ultimative Konsequenz solcher Zuschauer-Anzeigen.

Für die Turnierveranstalter gibt es nach der derzeitigen Regellage keine andere Alternative als den Spieler disqualifizieren zu lassen. Doch ist das wirklich notwendig? Hätte man nicht einfach nachträglich Harrington die Strafschläge anrechnen können und ihn mit -5 statt -7 die zweite Runde starten lassen? Wer solche Vorschläge macht bekommt meistens zwei Einwände zu hören: 1. Was passiert, wenn dies in der Schlussrunde dem späteren Turniersieger passiert? Und 2. Gibt das den Profis nicht einen Freischein um Regelverstöße zu ignorieren, da ja die Chance besteht, dass man damit durch kommt?

Das Erste ließe sich ganz einfach dahingehend verhindern, dass man die Regel so formuliert, dass Regelverstöße, die während des laufenden Turniers entdeckt werden, nachträglich auf den Score angerechnet werden können. Wenn der letzte Flight seine Scorekarten unterschrieben abgegeben hat, ist das Turnier damit beendet und der Sieger steht fest. Der zweite Punkt ist tatsächlich etwas kritischer. Es gibt allerdings gute Gründe anzunehmen, dass die Folgen nicht so aussähen. Zum Einen ist der Golfsport, auch wenn man dies in den letzten Wochen kaum glauben mag, immer noch ein ehrenhafter Sport in dem die Spieler Regelverstöße gegen sich selbst melden. Bei den vorliegenden Fällen war es nie Vorsatz, sondern – was leider schon schlimm genug ist – schlichte Dummheit und/oder Regelunkenntnis von Spielern UND Mitspielern. Nichtsdestotrotz könnte sich ein Profi niemals erlauben, mutwillig die Regeln zu brechen, wie der Fall Elliot Saltman beweist.

Gerade in der heutigen Zeit ist bei den großen Turnieren die Möglichkeit beim Betrügen entdeckt zu werden, viel zu groß. Jedes Loch ist mit Kameras ausgestattet und jeder Profi muss damit rechnen, dass jede seiner Bewegungen und Taten gerade live in Millionen TV- und Internetaushalte ausgestrahlt werden. Ganz besonders die auf dem Leaderboard vorne stehenden Spieler. Und hier liegt das eigentliche Problem: Hätte sich Nick Dougherty bei +7 das gleiche Vergehen erlaubt, wie Harrington bei -7 – niemandem wäre es aufgefallen. Golfregeln müssen so formuliert werden, dass sie für alle Spieler gelten und angesichts der unterschiedlichen TV-Präsenz der Führenden und Hinterbänkler ist dies im Fall durch Zuschauer gemeldeter Regelverstöße nicht gegeben. Es gibt also nur zwei Konsequenzen: Entweder man ignoriert diese Eingaben von außen oder man bestraft sie auf faire Weise.

Würde man sie ignorieren, gäbe es unter den Fans einen Aufschrei der Entrüstung darüber, dass solche Verstöße nicht geahndet werden – und auch auf den betroffenen Spielern würde ein dunkler Fleck hängen bleiben. Daher wäre die beste Alternative die Strafen dem Score einfach anzurechnen und vom ultimativen Todesurteil, der Disqualifikation abzusehen. Die heilige Unantastbarkeit der Scorekarte zu verändern ist ohnehin schon seit mehr als 40 Jahren überfällig, als Roberto De Vicenzo der Masters-Sieg geraubt wurde, weil er an einem Loch versehentlich für ein zu hohes Ergebnis unterschrieb. Ein Turnier sollte von dem Spieler gewonnen werden, der nach den Regeln die wenigstens Schläge gebraucht hat. Nicht von dem, dessen Scorekarte die wenigsten Schläge aufweist.

  1. Hmmm, schwierig wie man das ganze dann werten soll. Reicht ein einfaches “dazu schreiben” der Strafschläge aus oder sollte man noch was draufpacken . ala “Kleine Fehler bestraft der Liebe Gott gleich”
    Ein Disq. muss auch meines Erachtens nicht sein, aber eine “empfindliche” Strafe sollte es schon sein.

    bis denne
    rebel

  2. Kurze Anmerkung zu Deinem Abschlusssatz “Ein Turnier sollte von dem Spieler gewonnen werden, der nach den Regeln die wenigstens Schläge gebraucht hat. Nicht von dem, dessen Scorekarte die wenigsten Schläge aufweist.”: wichtig in Deinem Satz ist die Anmerkung “nach den Regeln”!

    Wenn es jedoch Regeln gibt, die einen Spieler aufgrund unsachgemäßer Anwendung einer Regel mit Disqualifikation bestrafen, dann ist dieses auch Regelkonform (vergleichbar mit einer roten Karte). Die Regel besagt doch letztendlich, dass der Spieler dann nicht mehr mit im Rennen um das Preisgeld ist – also disqualifiziert wird.

    Bzgl. der Umstände – wie solche Regelverstöße entdeckt, gemeldet und nachverfolgt werden kann man sicherlich auch noch einmal sehr unterschiedlicher Meinung sein. Aber klar: die vorderen, populäreren Spieler stehen hier im Fokus der Öffentlichkeit. Aber ist das im Fußball / Handball nicht auch so – Regelverstöße in der Kreisliga gelangen weniger stark in die Diskussion als solche in Spielen höherer Ligen. Aber das ist nun mal der Preis des “Bekanntsein”. Und ist es nicht bei Dir im Club genauso, dass man bei den “schwarzen Schafen” schon einmal genauer hinschaut, ob diese Regelkonform spielen – ist dann auch eine andere Art des “Bekanntsein”, oder?

    Aber Danke auf jeden Fall für Deine offene Art der Berichterstattung – ich verfolge diese immer sehr gerne…

    1. Ich denke keiner bezweifelt, dass die DQ absolut richtig war, so sind die Regeln und solange sie gelten sind sie anstandslos zu akzeptieren – so wie Harrington das auch getan hat. Mein Ansatz ist halt einen Anstoß zu einer Regeldiskussion zu geben. Sind die Golfregeln in Stein gemeißelte Gesetze oder sollte man sie nicht den Gegebenheiten anpassen? Das Beispiel mit dem Fußball ist vielleicht nicht ganz richtig gewählt. Klar ist die Kreisliga anderer Überwachung als die Bundesliga ausgesetzt. Aber hier handelt es sich nun mal nur um die Bundesliga. Und dort ist der Tabellenführer genau der gleichen “Videoüberwachung” ausgesetzt wie der Tabellenletzte. Im Golfsport nun mal nicht und das ist für mich ein entscheidendes Problem.
      Ich sehe es als ernsthaftes Problem wenn wir jetzt jedes Rundenergebnis mit Sternchen versehen müssen bis alle Hobby-Schiedsrichter ihre Meinung abgegeben haben. Denn das nimmt langsam Formen einer Epidemie an. Was kaum berichtet wurde: Vor Harrington hat in Abu Dhabu ein Zuschauer auch McDowell eines angeblichen Regelverstoßes angezeigt, der musste eine Stunde lang ausharren bis er dann “freigesprochen” wurde. Wo ich die Touren nicht verstehe – und das habe ich versäumt in den Artikel zu nehmen, obwohl es eine gute Alternative zu meinem Vorschlag ist: Man stellt bei jedem Turnier Dutzende Platzrichter ab. Warum nehmen sie nicht 1-2 Leute, setzen sie vor den Fernseher und lassen sie auf Regelverstöße achten. So sehen sie genau das Gleiche wie der TV-Zuschauer und können bei eventuellen Problemen den Spieler ansprechen BEVOR er die Scorekarte unterzeichnet abgibt. Anrufe von außen wären dann überflüssig und sollten anschließend auch nicht mehr zugelassen werden.

  3. Wirklich schwierig, eine faire Antwort zu finden. Ich sah fassungslos zu, wie ungeschickt ein Profi einen Ball aufnehmen kann. Ich meine, er macht den ganzen Tag nichts anders, als sich mit Golf, den Regeln und dem Rollverhalten von Bällen auseinander zu setzen. Auch wenn Harrington sich sicher war, dass der Ball sich nicht bewegt habe, muss er als Profi die Konsequenzen kennen und es einem Platzrichter melden. Er hätte einen Platzrichter kommen lassen sollen und es ggfs. vor Abgabe der Karte mit einem Videomitschnitt geklärt. Bei den Amateurturnieren machen wir es bei Regel-Unsicherheiten bis zur Klärung mit der Spielleitung auch so. Und Harrington weiß als Profi, dass in seiner Liga jedes Muskelzucken im Gesicht vom TV übertragen wird – hat er gehofft, einfach damit durchzukommen? Ian Poulter ist der Ball aus der Hand genau auf den Marker gefallen (Dubai World Championship, im Stechen 2.Extraloch) He Jungs, Ihr seid Profis – passt auf Euere Bälle besser auf!

  4. es mal danke für den anstoß zur diskussion. zum vergleich mit fußball:
    da sind die schiedrichter tatsachenentscheidungen-it der begründung , eine änderung nach fernsehbildern wäre gegen den geist des fußballes(ja die haben auch so einen spirit of the game)die idee mit einem platzrichter vor dem fernseher ist gut- da könnte man auch gleich die jeweiligen spielzeiten stoppen.ein dreier-flight mit viereinhalb stunden ist wahrlich kein vorbild!

  5. Ich denke auch, dass das Übel vor allem die mögliche Einflussnahme von TV-Zuschauern ist. Es sollte – wie beim Fussball – eine Tatsachen-Entscheidung genügen. Kaum auszudenken, wie viele Besserwisser sich gerade Sky-Abos und Regelbücher besorgen, um es den Millionären mal zu zeigen. Was für ein Triumph, wenn endlich mal einer aufgrund meiner Klugheit disqualifiziert wird!

    Die Regel-Aufsteller haben sicher an viel gedacht, nicht aber an eine Armada deutscher Golf-Klugscheißer (die durch Martin Kaymers Erfolge rasant zunehmen werden), ausgestatte mit dem Leidens- und Gerechtigkeits–Gen, sich jahrzehntelang an einer unklaren Torentscheidung in einem WM-FInale aufzureiben. Und hier haben sie endlich direkten Einfluss und werden sogar von den Offiziellen angehört. Nicht auszudenken, wie viele Leitungen bei den Open geschaltet werden müssen, um die Anrufe während der Laufzeit des Turniers anzunehmen und auszuwerten, um am SOnntag auch einen (sicheren) Sieger präsentieren zu können …

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