Bobby Locke war not amused. Gerade hatte er bei Sturmböen und strömendem Regen die dritte Runde der Open Championship in Royal Lytham & St. Annes absolviert, als die Turnierleitung den Südafrikaner zur Seite nahm. Einer der nachfolgenden Spieler habe sich über das Spieltempo beschwert und wenn er sich in der Schlussrunde nicht sputet, würde es zwei Strafschläge geben und sein Sieg bei der Open Championship 1952 wäre in Gefahr geraten. Seine Spielzeit: 3 1/2 Stunden!
Fünf Jahre später war es Cary Middlecoff, der bei der Open auf dem Old Course von St. Andrews mit einer Rundenzeit von 3 Stunden 25 Minuten den Zorn der Mitspieler auf sich zog. Einer von ihnen, Robert Halsall, reichte sogar eine förmliche Beschwerde bei der R&A ein: “Wir haben 10 Minuten auf jedem Abschlag gewartet. Das muss aufhören. Solche Dinge sind vielleicht in Amerika in Ordnung, wo eine 4-Stunden-Runde normal ist, aber so etwas wird es bei uns nicht geben”, wurde Halsall von zeitgenössischen Zeitungen zitiert.
55 Jahre später würden Locke und Middlecoff für ihre Spielzeiten Denkmäler aufgestellt. In einer Ära, wo ein Ben Crane bei der Deutsche Bank Championship 2009 alleine (!) im ersten Flight (!!) 3 Stunden und 19 Minuten für eine Runde braucht, wo Stewart Cink und Ian Poulter als erster Flight in einem Matchplay über 4 Stunden für 18 Loch benötigen und wo die typische Schlussrunde eines PGA-Tour-Events weit über 5 Stunden dauert, ist die Spielgeschwindigkeit zum größten Problem für den Golfsport geworden – auf gleich mehreren Ebenen.
Da wäre zum Einen die Attraktivität als Fernsehsportart. Gerade eben wurde bekannt, dass die Öffentlich-rechtlichen Sender in Deutschland ihre Fühler ausstrecken um zu evaluieren inwieweit sie nach den Erfolgen von Martin Kaymer Bilder von Golfturnieren (vorwiegend den Majors) in ihr Programm einbauen können. Das größte Problem ist dabei wie immer das Geld, aber selbst wenn es dafür eine Lösung gibt, wird es wohl kaum zu Live-Übertragungen kommen. Eine Sportart, die fünf Stunden braucht um einen Sieger zu finden ist einfach nicht sexy genug. Im vergangenen Jahr löste beispielsweise ein Schiedsrichter in den USA eine Debatte über die lethargische Spielart im Baseball aus – und die Jungs sind für gewöhnlich noch immer ein Fußballspiel eher fertig als der typische Profigolfer.
Natürlich ist es dabei einfach, den Zeigefinger in Richtung der Extremfälle zu richten. Und völlig zurecht geraten immer wieder Wackeldackel Ben Crane, Plumb-Bobber J.B. Holmes und Caddie-Ausrichter Kevin-Na ins Kreuzfeuer der Kritiker. Doch wenn das Problem so einfach wäre, müsste die Honda Classic in dieser Woche nach 3 1/2 Stunden zu Ende sein – schließlich haben Crane, Holmes und der ebenfalls notorisch langsame Cink zurückgezogen. Nein, viel schlimmer ist die Verlangsamung der allgemeinen Spielgeschwindigkeit und die Gleichgültigkeit mit der diese hingenommen wird. Teils sind diese dem Setup der Plätze zu schulden: Kurze Par 4s sind attraktiv, aber nicht gerade förderlich für das Spieltempo, mannshohes Rough und Grüns auf denen sich nicht mal Spider-Man (der echte, nicht der kolumbianische) halten könnte, tun ihr Übriges. Doch wenn das das einzige Problem wäre, wie lassen sich dann die knapp 6 Stunden erklären, die Tiger Woods, Matt Kuchar und K.J. Choi beim letzten Masters brauchten? Auf einem Platz der weder Rough noch ein kurzes Par 4 besitzt? Nein, das langsame Spiel ist Einstellungssache und fängt ganz oben an.
Schließlich drückte die PGA Tour gerade Dustin Johnson zwei Strafschläge für eine um 5 Minuten verpasste Tee Time auf, verhängte aber seit 19 Jahren nicht eine einzige Strafe für zu langsames Spiel. Und ihr Chef Tim Finchem erklärte im vergangenen Jahr groß, dass er trotz fünfstündiger Runden keinen Handlungsbedarf sieht. Doch genau diese Einstellung ist es, die das Problem in den letzten Jahrzehnten erst entstehen ließ. Wer garantiert denn, dass wir schon den Gipfel der Langsamkeit erreicht haben und uns nicht in 10 Jahren mit 7-stündigen Runden rumschlagen müssen? Eine Vorstellung, die lächerlich klingt. Ungefähr so lächerlich wie vor 30 Jahren die Vorstellung von 6-stündigen Runden war. Damals zog niemand die Notbremse, stattdessen reagierte man mit einer Verkleinerung der Felder weil die Länge der Tage mit der Langsamkeit der Spieler nicht mehr Schritt halten konnte.
Die PGA Tour, die Fernsehverträge und die sinkenden Spielmöglichkeiten für Profis sind die eine Seite des Slow Plays. Die viel Gravierendere spielt sich aber auf Amateurebene statt. Es sollte für jeden Spieler, egal welcher Handicap-Klasse, ohne weiteres möglich sein zu dritt in maximal 3 1/2 Stunden eine 18-Loch-Runde zu absolvieren. Doch kaum wird ein Turnier gespielt, braucht schon der erste Flight weit über 4 Stunden. Und wer will es ihnen verübeln? Schließlich erhält man am Fernseher die perfekte Blaupause dafür wie man quälend langsam spielt – und mit vier Stunden ist man immer noch schneller unterwegs als Tiger Woods, Martin Kaymer und Co. abends auf Sky. Resultat ist eine völlig überflüssige Hemmschwelle für Golf-Anfänger.
Es gibt viele Vorurteile über Golf, die man leicht über den Haufen werfen kann:
- Golf ist kein Sport (stell dich mal zwei Stunden auf die Range und schlag Bälle, dein Muskelkater sagt das Gegenteil)
- Golf ist teuer (aber im Fitness-Club Mitglied sein und jeden Samstag im Stadion stehen)
- Golf ist nur für Menschen, die keinen Sex mehr haben (Hallo? Tiger Woods!!)
Doch dass Golf ein extrem zeitaufwändiger Sport ist, lässt sich leider nicht von der Hand weisen. Und dies ist einer der Gründe, warum viele Spieler frustriert wieder die Schläger in die Ecke stellen ohne jemals zu erfahren welch unfassbares Vergnügen eine zügige Runde Golf ist. Denn unglücklicherweise erweisen sich deutsche Clubs als ebenso unfähig eine “Pace of Play Policy” durchzusetzen wie die Profitouren dieser Welt. Doch wenn Finchem und sein europäisches Pendant George O’Grady sich endlich einmal dazu durchringen könnten ein Zeitlimit einzuführen (für den Anfang bsw. 4 1/2 Stunden an den ersten zwei Tagen, 4 Stunden für die Schlusstage) und dieses dann knallhart mit Strafen durchziehen, würden sie damit auch dem Gelegenheitsspieler und den Clubchefs in aller Welt vor Augen führen, dass etwas getan werden muss. Denn eines ist garantiert: Wenn Amateure irgendwann die Pre-Shot-Routine von Ben Crane, die Puttmethodik von J.B. Holmes und die Gehgeschwindigkeit von Stewart Cink zu einer Trifekta der Langsamkeit adaptierten, kann Bruce Willis’ den fünfter Teil seiner Action-Saga als Dokumentation auf dem Golfplatz drehen.